[.:.War Of Change.:.]

Er erklärte das wenn sie frei war konnte sie glücklich sein. Wenn sie es hier heraus schaffen würde. Doch wie sollte das gehen? Sie hatte es doch gerade mal geschafft sich aus ihrem Zimmer zu schleichen. Wie sollte sie es hier heraus schaffen? „Aber wie kommt man hier raus?“, wollte sie also von ihm wissen. Irgendwie musste es möglich sein.Und eines Tages würden die beiden es schaffen. Zusammen. So kristallisierte sich zu mindestens ihre Traumvorstellung heraus. Auf die Frage was er da mitgebracht hatte, antwortete er auch. Noch immer saß sie ganz nah bei ihm. Sie fühlte sich bei ihm sicher, beschützt. Warum? Weil er sie das letzte mal auch hatte versucht zu beschützen. Er hatte ihr damit gezeigt das er da war, auch wenn er selbst noch zu klein war um immer etwas zu unternehmen. Er war da. Und allein der Gedanke gab ihr die Kraft, welche sie zum überleben hier brauchte. „Hier essen? Aber es ist doch gefährlich wenn du jedes mal versuchst etwas mit zu bringen“, es war nicht so das ihr die Idee nicht gefiel, aber sie machte sich sorgen um ihn: Was wenn er erwischt werden würde?

Einen Ausweg finden und sich dann raus schleichen um dann weg zu fliegen? Das klang einfacher als es werden würde. Das Mädchen seufzte leise. „Aber ich kann nicht fliegen ...“, sprach sie nun deutlich leiser. Sie breitete ihre Flügel ein wenig aus, nur ein Stück, denn ganz konnte sie diese nicht ausweiten. Zu sehr schmerzten ihr diese noch. An ihren schneeweißen Flügeln gab es einige verletzte stellen. Und ganz offensichtlich schmerzten ihr diese. „Aber sobald meine Flügel wieder verheilt sind, lass uns zusammen fliehen ja?“, sie wirkte wieder hoffnungsvoller bei diesen Worten. „Lass uns ein gegenseitiges versprechen geben!“, schlug sie nun vor und hielt ihm den kleinen Finger hin. „Lass uns gemeinsam fliehen. Versprochen?“, es war vermutlich utopisch das beide es hier hinaus schafften, aber es war nun mal genau das was San Hoffnung gab.
Wegen dem Essen meinte der ältere frech das sie ihn niemals finden würden und das Erwachsene blöd sein. „Na gut! Wenn sie dich nicht finden, dann machen wir das so. Wir versuchen uns jeden Tag hier zu treffen, ja?“, dem Mädchen war bewusst das es nicht jeden Tag klappen würde, aber es war ein schöner Gedanke, wie sie fand. Sie nahm sich nun etwas aus dem Korb, das essbar aussah und musterte es. „Wie nennt man das?“, wollte sie wissen als sie ihm Schüssel Nudeln entgegen hielt.

Nachdem sie also verdeutlicht hatte warum sie nicht fliegen konnte, versteckte sie ihre Flügel wieder. Sie fand es besser ohne diese herum zu laufen, denn so stieß sie nirgends gegen und damit hatte sie weniger Schmerzen. Er hielt ihr ebenfalls den kleinen Finger hin und San harkte ihren in seinen ein. „Dann ist das ein Versprechen.“, bestätigte sie noch einmal. Ihr lächeln … so voller Hoffnung, so fröhlich und fast schon hatte sie diese Hölle für einen Moment vergessen können. Sie hatte sich kurz darauf an das Essen gewandt und er zeigte ihr viele Dinge,d ie sie weder verstand noch kannte. „Was ist das? Und was macht es?“, wollte sie von ihm wissen. Sie war definitiv neugierig, jedoch auch in gewisser Art und Weise vorsichtig. Sie ging nicht all zu nah an das unbekannte ran, beobachtete es aber genau.

Er hatte versucht ihr das ganze zu erklären, aber so wirklich verstehen tat sie dies nicht. Vermutlich war sie einfach noch zu jung für so etwas. Und so beobachtete sie ganz genau was er da tat, ohne es selbst groß berühren zu müssen. Interessant sah das ja aus. Aber ob man das auch essen konnte? Sie war sich noch nicht so sicher. Nachdem alles fertig war gab er ihr eine Schüssel und etwas Besteck. Sie roch zunächst an dem Essen, sichtlich noch unsicher ob sie dies wirklich essen konnte. Aber irgendwie hatte es ja schon einen Geruch, bei dem man kaum widerstehen könnte. Zu mindestens wenn man sonst nur dieses andere Mist zu essen bekam. Unsicher führte sie sich etwas davon zum Mund, nachdem ihre Zunge das Essen erst kurz anstubste nahm sie danach alles in den Mund. Dabei hatte sie jedoch nicht damit gerechnet das, dass Essen heiß war. Und so verbrannte sie sich. Mit offenen Mund wedelte sie mit ihrer Hand entgegen, während sich Tränen in ihren Augen bildeten. Warum war das denn so heiß?!

Wieso war das nur so heiß? Das Essen das sie sonst bekam war entweder schon kalt oder gerade so lauwarm. Woher hätte sie wissen sollen das es so heiß sein konnte? Der ältere kippte ihr einfach etwas Wasser in den Mund, das machte es zwar besser, doch an dem Wasser verschluckte sich die jüngere nun. Sie hustet und spuckte dabei dummerweise auch ihr essen aus. Nachdem sie mit dem husten fertig war sah sie sich das Missgeschick an. Ihr Blick wandte sich an den älteren, ehe sie leise schluchzte. Sie hatte das doch gar nicht so gewollt. Sie wollte das kostbare essen nicht wieder ausspucken. „Es....es... e-es...es tu...tut ...mi-mir....le-le-leid“, wimmerte sie leise, als sie sich etwas von ihm entfernt hatte und ihre Beine anzog. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Jetzt wäre er sicherlich böse auf sie und würde auch gemein werden … Sie wollte nicht das er böse wurde. Sie wollte das alles nicht.

Sonst wenn sie etwas falsch gemacht hatte wurden die erwachsenen immer gleich laut und taten ihr dann weh. Es gab immer eine Strafe und deswegen hatte sie genau jetzt Angst das er auch böse war und das er sie jetzt auch bestrafen würde. Deswegen machte sie sich klein und wollte sich verstecken. Sie wusste das ihre Entschuldigung es jetzt auch nicht wieder gut machen würde. Umso überraschter war sie als er seinen Kopf zur Seite legte und meinte das sie sich nicht zurück ziehen sollte. Das nichts schlimmes passiert war und sie sich nicht entschuldigen brauchte. Ängstlich sah sie den älteren an. „A-ab-abe-aber....“, stotterte sie und schluchzte erneut. Sie versuchte sich zurück zu halten, wollte jetzt nicht weinen. „Ab-ababer... ich .. bi-bitte... ni-nicht... nicht weh … tun “, stotterte sie weiter und hielt ihre Hände schützend vor sich.

Als er sich ihr näherte hatte sie kurzzeitig die Luft angehalten. Sie hatte fürchterliche Angst. Angst das er ihr weg tat, das es gleich wieder mächtig weh tun würde. Doch nichts von dem traf ein. Er schien ihr weder Böse zu sein, noch wollte er ihr scheinbar weh tun. Ganz im Gegenteil. Er schloss sie in seine Arme und war dabei ganz sanft. Er tat ihr nicht weh. Sie spürte wirklich keine Schmerzen. Er war wirklich anders wie die anderen, wie konnte sie das nur vergessen haben? Er sprach zu ihr das alles gut sei. Das sie hier sicher waren und es ihre kleine Freiheit sein würde. Langsam beruhigte sie sich wieder und das zittern wurde weniger. „Unsere kleine Freiheit...“, wiederholte sie. San schloss ihre Augen und lehnte sich an den älteren an. „SAN TSUKI KURUSHIMI!“, rief plötzlich eine männliche Stimme ihren Namen. Das Mädchen war zusammen gezuckt. „WO ZUM TEUFEL STECKST DU? NA WARTE.... WENN ICH DICH ENDLICH GEFUNDEN HABEN!“, die Stimme war laut. Aggressiv. Und das kleine Mädchen wusste genau zu wem sie gehörte. Ihrem Vater. Sie versuchte sich weiter bei Seki zu verstecken, so das man sie nicht sehen konnte. Aber wenn man die beiden jetzt entdeckten würde, dann wäre sie auch bei dem älteren nicht sicher. Während sie sich also näher an den älteren gedrückt hatte hielt sie sich ihre Hände vor den Mund. Sie wollte ganz leise sein. Kein mukks machen.

Der ältere meinte das sie hier bleiben sollte. Nur kurz. Was zur Hölle hatte er vor?! Mit ihrem Blick folgte sie ihm. Er würde doch nicht ....? Das war doch viel zu gefährlich! Warum bleib er nicht einfach hier? Unfähig sich zu bewegen saß sie da, gelähmt vor Angst.  Er hatte ihr zwar noch den Teddy-Bären gegeben, doch dieser hing eher in ihren Armen, statt das sie ihn ordentlich fest hielt. Was tat der ältere da nur?! Wie konnte man so verrückt sein?! Kurz darauf ein schreien und ein fluchen. San war zusammen gezuckt. Und noch immer wusste sie nicht was er da getan hatte. Der ältere kam wieder und meinte das die Person so schnell nicht mehr vorbei kommen würde. "Was hast du gemacht?", flüsterte die jüngere. Sie sah ihn mit ihren dunklen Augen an, ehe sie tief durch atmete. Alles ist gut ..., dachte sie sich um sich selbst ein wenig zu beruhigen. "Da-da... das war ...", stottert sie... doch sie schaffte es nicht das aus zu sprechen, das sie aussprechen wollte. Vielleicht beim nächsten Anlauf. Auf jedenfall wollte sie sich mitteilen. Sie wollte ihm sagen das sie diese Person kannte. Das sie die Stimme erkannt hatte. Aber ob man wirklich vom 'kennen' sprechen konnte? Seid sie hier war, hatte sie das Gefühl niemanden mehr zu kennen. Weder ihre Mutter. Noch ihren Vater. Auch ihren Bruder nicht. Aber vor allem ... vor allem kannte sie sich selbst nicht. Selbst wenn sie noch in der Entwicklung war, schon jetzt wüsste sie keine Antwort auf die Frage wer sie sei.

Er hatte etwas mit dem Ball und dem Licht gespielt? So wie beim letzten mal ...? Unsicher sah sie ihn an. Das konnte nichts gutes bedeuten. Herrje. Einer der beiden würde ärger bekommen. Und wenn es ganz schlecht lief sogar beide. Oder jemand anderes. Da San wusste das ihr Vater seinen Frust gern an anderen aus ließ. Sie schluckte schwer. "Da-das ... das war ... me-me-mein... ", stotterte sie weiter. Hoffentlich hatte Seki ihm nicht all zu sehr weh getan. Denn er war doch noch immer ihr Vater und auf irgendeine Art und Weise liebte sie ihre Familie ja trotzdem noch. "Mei-Mein ... Pa...Pa-Pa", ihr Blick war zur Seite gewichen. Würde Seki sie jetzt nicht mehr mögen? Würde er jetzt schlecht von ihr denken? Das Mädchen hatte Angst. Wie so oft. Aber eigentlich war Angst ihr ständiger Begleiter geworden. Sie würde vermutlich gar nicht mehr ohne Leben können. Zwar würde sie ohne Leben wollen, aber ob sie das auch konnte?!  

Nachdem sie also ängstlich erklärt hatte das dieser Mann, der da offensichtlich aggressiv nach ihr gesucht hatte, ihr Vater war wurde es still auf dem Dachboden. Und obwohl es kurzzeitig still war, konnte sie ihm ansehen wie aufgebracht er war. San wartete praktisch nur darauf das die Bombe platzte, das der ältere explodierte. Doch das tat er nicht. Er durchbrach die Stille mit den Worten das ihr Vater ein schlechter Engel wäre, der mieseste. Schuldbewusst sah sie zur Seite, denn sie hatte irgendwie das Gefühl daran schuld zu sein. Waren es wirklich Schuldgefühl? Wenn Papa ein mieser Engel ist … bin ich dann automatisch auch ein mieser Engel?, fragte sie sich. „Aber er ist … er ist trotzdem mein … Papa“, flüsterte sie. Ob sie diese Einstellung je ändern würde? Fraglich. Denn immerhin hatte sie doch auch gute Jahre mit ihrer Familie. Glaubte sie zu mindestens, so ganz sicher war sie sich da mittlerweile auch nicht mehr. San holte tief Luft. „Seki-kun?!“, wandte sie sich nun wieder an den älteren und sah ihn schüchtern an. „We-wenn … wenn mein Papa ein mieser Engel ist … bi-bin ich da-dann … bin ich dann auch-“, sie traute sich – mal wieder – nicht den Rest nicht aus zu sprechen.

Es waren mittlerweile 5 Jahre vergangen und mittlerweile wurde das kleine Mädchen größer. Sie war nun 10 Jahre alt und der Alltag hatte sich ab nun für sie ändern. Sie hatte es die ganze Zeit geschafft das Versteck geheim zu halten und Seki wurde zu ihrem besten Freund. Er war ihr einziger Halt in diesem Irrenhaus. Ohne ihn wäre sie wohl schon längst durchgedreht. Es war eine sternenklare Nacht, als San sich aus ihrem Zimmer geschlichen hatte um auf den Dachboden zu kommen. Erst seit einigen Tagen hatte ihr Kampftraining begonnen und die ersten Tage war sie so erschöpft und verletzt gewesen, das sie es nicht ins das Versteck geschafft hatte. Heute jedoch war ein tag an dem sie dies wieder schaffte. Sie war mit Wunden übersäht, hatte provisorische Verbände um sich gewickelt und auch sonst sah sie eher blass aus. Vielleicht hätte sie in ihrem Zimmer bleiben sollen um sich aus zu ruhen. Doch das Mädchen wollte zu Seki. Sie musste ihn sehen. Sie musste wissen wie es ihm ging. Sie hatte sich also auf den Dachboden gesetzt und sah durch ein kleines Fenster zu den Sternen. Jedes mal wenn sie hier so saß hatte sie Angst. Sie hatte Angst das Seki nicht kommen würde. Das ihm etwas zugestoßen wäre.

Der ältere meinte das niemand den Fleck stören würde und dennoch war sie sich unsicher. Was wenn jemand bemerkte das es ihr Blut war? Was wenn jemand dadurch erfahren würde das sie sich heimlich trafen? Wenn jemand von dem Versteck etwas mitbekam? Sie hatte große Angst vor den Folgen ... Aber noch mehr Angst hatte sie, das sie danach Seki nie wieder sehen konnte. Doch San widersprach nicht. Das hatte man ihr auch so beigebracht. Sie hatte nur stumm genickt. Auch wenn sie teilweise genau das tat was man von ihr verlangte, so hatte sie sich dennoch ein kleinen Teil ihrer wahren Persönlichkeit bewahrt. Vermutlich auch nur dank Seki. Nachdem er ihren Kopf angehoben hatte und einige Worte sprach wich sie seinem Blick aus. "Ich bin noch nicht so gut ... und krieg noch viel ab...", erklärte sie als müsste sie sich rechtfertigen. In ihren Augen bildeten sich Tränen. Sie wollte dieses Training nicht. Sie wollte nicht kämpfen, niemanden verletzten. "Sie sagen, ich sei zu schwach ... ", ihre Stimme war nur mehr ein Hauchen. Was diese Worte zu bedeuten hatten? Nun, die schwächsten würden aussortiert werden. Sie würden dies nicht überleben. Aber das Mädchen wollte nicht aussortiert werden. Sie wollte nicht sterben.